Hip-Hop aus München? Eher nicht. Oder besser, eher nicht bekannt. Also ein passendes Projekt für den Tobias Kirmayer, der seit vielen Jahren als DJ und Musik-Sammler einen überaus guten Ruf besitzt. Mittels seiner Firma Tramp Records macht er und bereits seit geraumer Zeit mit den rarsten Raritäten zwischen Soul und Jazz bekannt, inklusive diverser Neben-Sound-Schauplätze. Vor allem seine „Praise Poems“ haben es uns persönlich angetan. Und nun also mal etwas zur neueren Hip-Hop-Historie. Hip-Hop statt Disco. Nun denn…
Vorab aber noch einige Statements und Erläuterungen vom Herrn Kirmayer selbst, der (nicht nur) uns das folgende Interview zur Verfügung gestellt hat.
Was hat dich vor 15 Jahren dazu bewegt Tramp Records zu gründen?
Tobias Kirmayer: Es war nicht so, dass ich das Label bewusst gegründet habe. Es hat sich einfach ergeben. Ich sammle seit den frühen 1990ern Platten und ich wollte von Anfang an meine Musik teilen. Als ich 1996 endlich meinen Autoführerschein machen konnte, begann ich sofort mit dem Auflegen. Nach ein paar Jahren reichte mir das nicht mehr. Ich dachte mir, es gibt so viel gute Musik, ich will Platten rausbringen. 2003 erschien dann die erste 7″ Single auf Tramp und 2007 dann das erste Album auf Vinyl, CD und digital.
Woher kam die Inspiration, dich damals schon mit Afrobeats, Funk und Soul zu beschäftigen?
Tobias Kirmayer: Daran war mein fünf Jahre älterer Bruder Schuld. Mit 16 hat er begonnen Platten von Public Enemy, Jungle Brothers, Kurtis Blow, James Brown oder The Meters zu kaufen. Zu Hause hat er sie mir dann vorgespielt. Ich war sofort total begeistert von dem Sound und meine Neugierde auf mehr war geweckt.
Was macht nicht mehr erhältliche Musik so interessant für dich, dass du Wiederauflagen produzierst?
Tobias Kirmayer: Obwohl sogenannte Rare Grooves der 1960er/70er bereits seit den 90er Jahren wieder aufgelegt werden, gibt es auch 2018 noch Unmengen an Musik, die noch kein Label wieder aufgelegt hat. Es handelt sich dabei nicht um mittelmäßige Songs, sondern die Platten sind einfach extrem selten. Man muss sie jahrelang suchen. Oftmals existieren von den Kleinstauflagen nur noch eine handvoll Exemplare weltweit. Die Qualität der Songs gepaart mit meiner Neugierde, die Geschichten der Musiker und Bands zu erfahren, sind der Hauptgrund wieso ich mir diese langwierige Arbeit antue.
Der Trend geht immer mehr Richtung Streaming-Dienste wie zum Beispiel Spotify. Warum sind Vinylsingles immer noch die Basis deiner Arbeit?
Tobias Kirmayer: Musik als digitales Format ist einfach nur grausam. Sie hat keine Substanz, keinen Wert und wird inflationär gebraucht. Leute, die sich für 10 Euro eine Single oder 20 Euro eine LP kaufen, haben eine völlig andere Wertschätzung für die Musik. Vinyl hat im Gegensatz zu MP3s Charme und viel wichtiger, die Musik klingt wärmer und authentischer. Mein Label ist aus der Liebe zu Vinyl entstanden. Solange ich Musik veröffentliche, wird das auf Schallplatte sein. Sollten sich Platten irgendwann überhaupt nicht mehr verkaufen, werde ich mit Tramp aufhören. Das wird aber nicht passieren.
Münchner Hip Hop aus den Jahren 2005 bis 2015 ist ein spezifisches Genre. Warum gerade diese zehn Jahre ?
Tobias Kirmayer: Die Compilation behandelt ausschließlich das Label Hot Corner Records aus München, welches zwischen 2005 und 2015 aktiv war. Der Betreiber war John Pussner, selbst Musiker und Produzent. Er hat, so wie ich auch, seine ganze Leidenschaft und Unmengen an Geld in seine Projekte gesteckt, um eine Alternative zu all dem furchtbaren Mainstream zu bieten. Auf „Golden Hits“ sind keine Hits, sondern das Beste vom Besten, was jemals auf Hot Corner erschienen ist beziehungsweise nie erschienen ist.
Welches Potenzial hat diese Musik für dich?
Tobias Kirmayer: Einige Songs des Albums wären absolut radiotauglich. Aber die öffentlich-rechtlichen Sender haben natürlich keinen Platz für unbekannte Bands und bis auf wenige Ausnahmen wollen oder müssen sie primär immer denselben Mist spielen. Immer wieder denselben Track, sodass selbst ein guter Song früher oder später nervt. Ich finde das sehr schade, weil es zum einen für den Hörer eine tolle Abwechslung wäre und zum anderen kleine Bands auch eine Chance bekommen würden.
Was macht die ausgewählten Künstler wie Primatune oder Octopussies so besonders, dass sie einen Platz auf „Golden Hits“ verdient haben?
Tobias Kirmayer: Dazu muss man sich einfach nur die Songs anhören, dann weiss man warum. Die Backingtracks sind einfach fett produziert und die Rapper geben ihr übriges dazu. Viel besser kann ich das nicht beschreiben.
Warum gerade diese Musik zum 15. Jubiläum von Tramp Records?
Tobias Kirmayer: Wir feiern unser Jubiläum nicht nur mit diesem Album. Mit den Compilations „Praise Poems 6“ und „Movements Vol.9“ sind im Frühjahr bereits zwei Alben erschienen, die mindestens genauso für 15 Jahre Tramp stehen. Es ist nicht diese eine Veröffentlichung, mit der wir unser Jubiläum feiern, sondern alles was 2018 bereits erschienen ist und noch erscheinen wird.
Du entdeckst Musik, an die schon seit langem keiner mehr denkt. Wie erkennst du, ob diese Musik Potenzial hat und nicht aus gutem Grunde vergessen wurde?
Tobias Kirmayer: Wenn mir ein Song gefällt und er noch nicht wieder aufgelegt wurde, ist das Grund genug, mich daran zu machen ihn als erster wieder herauszubringen. Ob andere Leute meiner Meinung sind, ist mir egal. Es gibt keine einzige Veröffentlichung auf Tramp, die ich aus wirtschaftlichen Gründen gemacht habe. Seit Beginn mache ich das Label für mich und nicht für andere. Wenn die Leute meinen Musikgeschmack teilen freut es mich, wenn nicht, ist das auch in Ordnung.
Warten schon die nächsten vergessen Perlen auf ihre Entdeckung?
Tobias Kirmayer: Im September erscheint mit „Mesquite Suite“ das dritte Album von Lucky Brown. Lucky ist einer der wenigen aktuellen Künstler, die auf Tramp veröffentlichen. Es ist ein Wahnsinnsalbum im Stile der Menahan Street Band gepaart mit Einflüssen von Mulatu Astatke. Im November erscheint dann eine Disco/Modern Soul Compilation gefolgt von einem bisher unveröffentlichten Live Jazz Album von Vibraphonist Ulysses Crockett und seiner Band Afro Blue Persuasion. Für nächstes Jahr sind diverse Projekte in Planung, unter anderem die Compilations „Praise Poems 7“, „Movements Vol.10“, „Countdown to…Soul Vol.2“, „Peace Chant 3&4″ sowie jede Menge 7“ Singles.
…und nun freuen wir uns auf das, was der Tobias für uns als nächstes bereithält. Wer´s wissen will (und wer will das eigentlich nicht?), dem sei‘ der regelmäßige Besuch dieser Seiten angeraten.